Liebe Leser,
zwei ungewöhnlichen Ausstellungen, auf die ich aufmerksam wurde, als ich im Newsletter der Stadt auch einen Hinweis auf das Kloster Bentlage in Rheine entdeckte, möchte ich hier im Rahmen von Kunst, Natur und Meditation vorstellen.
Einen Ausflug ist es allemal wert, nicht nur der nahen Salinen wegen oder des im Sommer sehr begehrten Cafés auf dem wunderbaren Rasenplatz, unter kleinen schattigen Bäumen, sondern auch wegen seiner sehr guten Angebote im Bereich Radierung. Ich selbst belegte dort einen Kurs „Radierung“ bei einer Künstlerin, nachdem ich im Haus der Niederlanden deren Werke sah,die mich begeisterten. Der Kurs war hervorragend. Zudem erhielt ich als unbedarfte Anfängern, die einen Fortgeschritten-Kurs, genau bei dieser Künstlerin im Bereich Drucktechnik besuchen wollte, eine excellente Privat-Stunde in Sachen Radierung, von einer dort tätigen Kunst-Mitarbeiterin. Alle diese Erfahrungen lassen ein Wort erklingen: Chapeau!
Die skulpturalen Arbeiten von Anne Carnein sind filigran und erstaunlich gearbeitet. Stich für Stich im Zusammenhalt für die einzelnen Stoffe, mal farbig verspielt, mal erdfarben gehalten, ‚kultivieren‘ sie nicht nur den pflanzlich-natürlichen Bezug, sondern sie ‚kommentieren‘ auch, eben als künstlerischer Ausdruck, geben sie den Ausdruck, die Lust der Natur auf Farbe und Form wieder. Die Arbeiten wirken umso natürlicher, da sie z.T. vor allem, wenn sie Wachstum darstellen wollen, nicht akkurat auftreten, sondern durch grobe Stiche in die Stoffe deren Verlangen nach Halt und Öffnung, betonen. Irgendwann muss diese Begrenzung ja aufbrechen, um weiter zu wachsen. Bei anderen Arbeiten, wie beispielsweise einem Pilz, ist die Nahtverbindung nicht so imposant im Vordergrund, die Brillanz der Einzigartigkeit seiner Lamellen in Stoff, aber einen intensiven Blick wert. Das gilt für alle kleinen und großen Werke dieser Ausstellung. Ihre zeichenhaften Besonderheiten wie eine kleine Hand, die sich aus dem Wurzelwerk der Pflanze bildet, erzeugen Fragen, Rätsel und Überraschung.
Mithin eine Schau Pflanzen-Kunst-Darstellung sondergleichen – meisterhaft – gekonnt im Werk, sowie beziehungsreich in den Räumen der Sammlung eingebunden. Nicht nur jedes Werk in den Vitrinen, jede Skulptur im Raum, auf Podesten oder auf Wänden drapiert, blinkt liebevoll und verspielt auf. Selbst die gesondert gestellte riesige Skulptur im Obergeschoss: eine aus dem Keim entstandenen Pflanze, stark verwurzelt und mit den ersten grünen Sprossen sich in die Höhe rankend, bis zu den größer werdenden Blättern, in ihrer Metergröße senk- und waagerecht, so raumfüllend präsentiert, dass sie eine Sonderstellung bekam und gleichzeitig mit den Gemälden zu Natur und Mensch, von Morgner, korrespondiert. Geniale Passung. Nicht zuletzt hat die Künstlerin immer wieder die Beziehung zu den irdenen Relikten des Klosters hergestellt, grade auch zu seiner Sammlung ähnlicher Artefakte, von Nonnen zusammengetragen, am Kreuz Christi drapiert, allerlei Blüten und Gewächse.
Eine weitere Ausstellung von Heike Negenborn, sie ist Landschaftsmalerin, welche in einem sehr ungewöhnlichen, fast tonartig erdigen Stil Landschaften malt und sich dabei an der Renaissance mit ihrer Zentralperspektive orientiert, nur mit dem Unterschied, dass sie in ihren Arbeiten den Horizont tief hält, dem Betrachter der Landschaften teilweise nur skizzenhafte Orientierung gibt und durch darüber liegende Gitternetze den Eindruck , auf etwas Digitales zu blicken. Die Frage, die dann tatsächlich im Raum bleibt, ist die: was ist noch Wirklichkeit, wo lassen wir uns vom Digitalen vereinnahmen? Eine in der heutigen Zeit sehr berechtigte Frage, die ihre Antwort in der Meditation findet: zurück kehren zu sich selbst. Dem Analogen in uns.
Acryl auf Holz
Andere Arbeiten mit Bleistift/Farbstift/Kugelschreiber auf Transparentpapier – einzigartig in Produktion und Wirkung – auf mich wirkten diese Arbeiten sowohl faszinierend, wie rätselhaft. Erst, als ich nähere Informationen auf ihrer Website erhielt, fügten sich ihre Arbeiten zu einem impulsgebenden Ganzen zusammen.
Zwei ungewöhnliche Ausstellungen, denen man sich mit Muße hingeben sollte, damit ihr Impuls wahrgenommen und verarbeitet werden kann. Die eine Ausstellung ist eingebunden in die Artefakte christlicher Darstellungen, der Sammlung des Klosters, worauf sich die Künstlerin Anne Carnein in ihren Arbeiten bezieht. Heike Negenborns Arbeiten bleiben sachlich in den wunderschönen Räumen des Klosters für sich.
Ich möchte dazu einladen, sich dem Weg der Künstler zu öffnen. Auch dem eigenen künstlerisch- suchenden Weg. Kurse zu besuchen, um sich mit Techniken vertraut zu machen, die Tiefe der eigenen Kreativität, Möglichkeiten immer weiter auszuloten, kennen und schätzen zu lernen, mithin auch, sich ein wenig mit der Kunstgeschichte zu befassen. Sie eröffnet Sichtweisen, die einem „Aha“ gleichen, gesellschaftliche Umbrüche aus anderen Epochen werden klarer, deren politische Zusammenhänge ergeben im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild, welches in der Tiefe auch mehr Verständnis und Zugang für die jetzigen Umbrüche erlaubt. Es ist ein Segen der heutigen Zeit, wenn Werke z.B. dieser Künstler uns aufzeigen, wo wir stehen, oder nicht mehr und wo wir aufpassen müssen, uns nicht gänzlich zu verlieren.
Meine Angebote der Ava.Art-Meditationen stehen hier mit Ruhe und Kontemplation für sich: mit der inneren Natur in uns und der Verbindung mit der äußeren gehen wir auch hier in Korrespondenz. Sei es, dass wir die Platane als Synonym für unser Herz hernehmen, indem wir ihre Blätter als Spiel mit dem Wind durch unsere Vorstellungskraft so kreieren, dass sie Kraft und Stärke herbeiführen.
Diese Natur-Meditationen lassen uns zur Ruhe kommen. Künstler bieten uns an, genau hinzuschauen, zu spüren, wie in einer Meditation und auch der Frage nachzugehen, inwieweit wir noch „analog“ mit uns verbunden sind oder uns über digitale Ebenen von uns wegbringen lassen. Letzteres haben wir selbst in der Hand und können in jeder Sekunde entscheiden, wohin die Reise gehen soll: zu einem Kontakt ins eigene Innere, auch Unbewusste. Für eine Weile zu erkennen, wo wir grade stehen, was wir brauchen, was uns gut tut. Und die Reise ins Außen, in die grade jetzt in voller Kraft stehende Natur. Und immer wieder sich-selbst- zurückholen, in jeder Sekunde im Alltag und mehr und mehr Bewusstheit zu erlangen. Und als ‚Sahnehäubchen‘ die Welt der Künstler besuchen, die sich täglich damit befassen, wie wir einen natürlichen Weg finden, uns mit ihr sehenden und spürenden Auges zu verbinden. Auch Fragen zu stellen: was wir mit uns und ihr gemeinsam wollen? Zunächst jeder für sich. Und dann Wege zu finden, die im Miteinander prosperierend sind.
© Helga Dieckmann